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Der Untergang von Rojava, 15.06.2018

Rojava – das waren einmal drei kurdische Kantone im Norden Syriens. Im Rahmen des Krieges gegen Syrien kamen die Dschihadisten des IS auch nach Rojava und bedrohten die bloße Existenz der kurdischen Bevölkerung. Für die Linke in Europa und darüber hinaus wurde der Kampf um Rojava zu einem Leuchtfeuer in den Untiefen des Krieges um Syrien. Oder war es vielleicht doch ein Irrlicht? Um die Frage zu beantworten, müssen wir tief in die Geschichte des Krieges um Syrien eintauchen.

Warum wird ein kleines unscheinbares Land, buchstäblich hinter den sieben Bergen seit Jahren in einem Krieg zerstört, an dem sich von Anfang an die NATO-Staaten, allen voran die USA und die Türkei, die Golfstaaten zumindest indirekt beteiligten und für den Milliarden Dollar ausgegeben wurden, in dem ungezählte Menschen getötet wurden.

Würden heute Aliens von Mars oder Venus kommen und den Krieg betrachten, hätten sie überhaupt keinen Zweifel: Es geht um Ressourcen, um regionale und globale Machtinteressen, um Regime-Change im Interesse und im Auftrag der USA. Es geht um den Konflikt zwischen USA, Israel und Saudi-Arabien auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite.

Und ebenso gilt: schon um 2007 konnten wir ahnen, was die Zukunft bringt – Regime-Change lag in der Luft.

2007 schrieb der amerikanische Journalist Seymour Hersh über eine mögliche Neuorientierung der US-Außenpolitik: Heimliche Aktivitäten, um den Iran und Syrien zu schwächen fanden statt. Die USA förderten sunnitische Extremisten. Das Flüchtlingslager Nahr al-Barid im Libanon wurde in Kämpfen zwischen der Armee und Dschihadisten so zerstört, wie später weite Teile Syriens. Die sunnitischen Extremisten hatten in Bahr al-Barid nur trainiert.

Nur für einen kurzen Moment in diesen Jahren schien das Verlangen der USA nach Regime-Change in den Hintergrund zu treten. Die Proteste im Frühsommer 2011 schienen eine Alternative aufzuzeigen. Doch wurden die Proteste von Anfang an von außen militarisiert. Der Angriff der NATO auf Libyen begann in der selben Woche, wie die Proteste in Daraa. Dieser Angriff zerstörte den libyschen Staat und zeigte zugleich den Dschihadisten in Syrien den Weg auf. Jedem Feind der Regierung wurde gesagt: Tut was ihr könnt um die Regierung zu stürzen; wenn es euch nicht gelingt, bombardiert euch unsere Luftwaffe an die Macht.

Was Syrien betrifft überdeckten die Medien im Westen alle Widersprüche, Entwicklungen und Veränderungen mit dem Bild: "Der furchtbare Diktator schlachtet sein Volk ab". Damit verdeutlichten sie den Satz "Das herrschende Bewusstsein ist immer das Bewusstsein der Herrschenden" auf unnachahmliche Weise.

Die mediale Darstellung war nicht etwa nur Fake News, viele einzelne Nachrichten waren durchaus korrekt. Aber die Darstellung war Doppeldenk im Orwell’schen Sinne, bei dem zwei sich gegenseitig ausschließende Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren sind.

"Es gibt viele bewaffneten Kräfte der Opposition", schrieb etwa al-Jazeera im Sommer 2011. "Zusammen haben sie 700 Mitglieder der syrischen Sicherheitskräfte getötet...". Und schreibt im selben Abschnitt: "...Unsere Revolution ist friedlich und wir haben keine Waffen..."

Das Bild des Krieges, das in den Medien dargestellt wurde und wird, ist das Bild der Herrschenden. Und das heißt, es ist das das Bild derjenigen, die diesen Krieg führen.

Die herrschende Ideologie hat immer wieder die Feinde der syrischen Regierung verharmlost und die syrische Regierung verteufelt. Hier zieht sich ein roter Faden vom Bild der "friedlichen Demonstranten und Deserteuren, die von der Regierung getötet werden" aus den Anfangszeiten des Krieges bis hin zu den Fassbomben und Chemiewaffen.

Nur der IS fiel im Laufe der Zeit vordergründig aus diesem Bild heraus. In Wirklichkeit aber ergänzte er das Bild, weil er alle Verbrechen der Dschihadisten auf sich nahm und die anderen damit als "gemäßigte Rebellen" gelten konnten.

De Linke war gegenüber dem Narrativ vom Diktator, der sein Volk abschlachtet vollkommen hilflos. Eine kritische Diskussion über Syrien und die Darstellung in den Medien fand kaum je statt. Den medialen Informationsbomben gegenüber hilflos flüchtete die Linke in ein anderes Narrativ, das von der Emanzipation in Rojava.

Der Kampf um Kobane bildete den Ausgangpunkt für dieses Narrativ – und zugleich für das Bündnis der PYD und YPG mit den USA. Dieses Bündnis hat Rojava vollständig zerstört. Es gibt keine kurdischen "Kantone" mehr, sondern nur noch ein Gebiet, das die USA mit ihren Stützpunkten und Waffen kontrollieren – und von YPG kontrollieren lassen.

In diesem Gebiet liegt die arabische Stadt Raqqa, die nach der Zerstörung durch US-Luftwaffe und Artillerie nun einen zweiten Tod der Vernachlässigung stirbt. Hier gibt es keinen Hauch von Emanzipation. Diejenigen Einwohner, die nach Raqqa zurückkehren, kommen in ein Trümmerfeld. Sie müssen ihre toten Angehörigen aus dem Schutt bergen, bedroht von Blindgängern und Minen, die niemand räumt. Organisierte Banden berauben die Einwohner. Die Washington Post lässt ein Mitglied des Verwaltungsrates von Raqqa warnen: "Wenn wir den Wiederaufbau nicht voranbringen, wird das Wasser auf die Mühlen von Assad". Stimmt! Denn im Regierungsgebiet läuft der Wiederaufbau schon lange.

Im besetzten Gebiet im Norden Syriens geht es nicht um Emanzipation – sondern um die Kontrolle über Ressourcen. Der größte Teil der Erdöl- und Erdgasförderung Syriens, ein großer Teil der landwirtschaftliche Nutzfläche Syriens liegt in den Gebieten unter Kontrolle der USA und ihrer Verbündeten.

So ist Rojava untergegangen, schon lange bevor die türkische Armee Afrin besetzte und bevor sich die YPG im Juni aus Manbidsch zurückzog.



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