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Gespräche in Moskau - 2. Runde, 06.04.2015

Damaszener Erklärung

Die Hegemonialpolitik der Staatsmacht seit über dreißig Jahre hat ein autoritäres despotisches Cliquen-Regime hervorgebracht, das die Gesellschaft entpolitisierte und dazu führte, dass die Menschen das Interesse an öffentlichen Angelegenheiten verloren haben. Das Land ist zerstört, ebenso wie das Sozialgefüge des syrischen Volkes; dem Land droht wirtschaftlicher Ruin und Krisen aller Art ufern aus.

Diese Worte stehen am Anfang der Damaszener Erklärung von 2005 in der syrische Oppositionelle sich nach dem Ende des Damaszener Frühlings zu Wort gemeldet hatten.

Louay Hussein, der Vorsitzende der syrischen Oppositionsgruppe "Den Staat aufbauen" griff den Satz über die entpolitisierte Gesellschaft in seinem Zeitungsartikel wieder auf, für den er drei Monate ins Gefängnis kam. Und sosehr wir die Verhaftung Louay Husseins verurteilen – sie ist dennoch nicht per se ein Beweis für die Richtigkeit der Kritik.

Anders als von den Unterzeichnern der Damaszener Erklärung 2005 behauptet war das Land nicht zerstört und stand nicht vor dem Ruin. Trotz des Krieges der USA gegen den Irak und seinen Folgen – u.a. eine Million Flüchtlinge, die in Syrien Zuflucht suchten - entwickelte sich Syrien. Die Entwicklung erfolge allerdings gestützt auf westliche Reformmodelle mit Privatisierung, Abbau von Subventionen, Arbeitslosigkeit und fehlenden Perspektiven auch für gut ausgebildete junge Leute.

Der wirtschaftliche Ruin fand nicht statt. Die Städte boomten und Syrien war zunehmend attraktiv. Das Potential für Krisen jeder Art war gegeben und zugleich befand sich Syrien in einem Prozess der Reform. "Nicht schnell, aber methodisch", wie der syrische Präsident Assad in einem Interview sagte.
Nicht schnell genug, wie in den Protesten im Frühjahr 2011 deutlich wurde.

im Sommer 2011 traf sich die syrische Opposition in Damaskus zu einem großen Plenum. Hier waren alle anwesend, die politische Änderungen in Syrien anstrebten; Michel Kilo, Louay Hussein und viele andere Oppositionelle; und dazu auch Kräfte aus dem „System“, aktuelle und ehemalige Parlamentsabgeordnete und andere Offizielle, die eigene Vorstellungen von der Entwicklung Syriens hatten. Die Konferenz hatte kein Ergebnis und war für lange Zeit das letzte derartige Treffen.

Die Regierung bot von Anfang an einen Dialog an, in dem sie wohl den Ton angeben wollte. Die Opposition wartete auf den Fall des Systems und hielt sich währenddessen an die Kontaktsperre, die von außen verhängt wurde: keine Verhandlungen "mit dem Diktator". Oder liebäugelte gar mit der "Freien Syrischen Armee", wie das Nationale Koordinationskomitee . (“…FAS… emerged from the refusal of Syrian soldiers to kill their fellow countrymen who protested peacefully, and from this perspective we consider the ‘Free Syrian Army’ one of the components of the revolution...)

Zwei Konferenzen

Über Monate und Jahre versuchten die außenpolitisch verantwortlichen Russlands und Chinas, die syrische politische Opposition zu einer einheitlichen Position zu drängen, so dass sie in Verhandlungen mit der Regierung eintreten könnten. Vergeblich. Im Herbst 2012 kam es zu zwei Konferenzen der Opposition in Damaskus, die die unterschiedlichen Vorstellungen zementierte: Auf der einen Seite Gruppen um das "Nationale Koordinationskomitee", die den Sturz des Systems in all seinen Facetten forderten. Und auf der anderen Seite Gruppen um die Volksfront für Befreiung und Veränderung, die zu Verhandlungen mit der Regierung bereit waren und sogar zu einer Regierungsbeteiligung (bis zu den ersten Verhandlungen in Genf Quadri Jamil und Ali Haidar, seitdem nur noch Ali Haidar als Minister für Versöhnung)

Quittung

Die syrische Opposition konnte sich nicht auf gemeinsame Vorstellungen verständigen und zum größeren Teil auch nicht auf Gespräche mit der Regierung einlassen.

Die Quittung dafür erhielt sie bei den Verhandlungen in Genf zwischen der Regierung und der ausländischen Opposition. Die syrische Opposition war nicht wichtig, nicht eingeladen und kein Teil der Gespräche. Und es ist schon eine Ironie, dass ausgerechnet die syrische Regierung verlangen musste, Vertreter der syrischen Opposition zu den Gesprächen in Genf einzuladen - erfolglos.

Moskau

Die Moskauer Politik versuchte weiterhin, einen Dialog zwischen Regierung und Opposition in Gang zu bringen. So trafen sich im Januar in Moskau Vertreter von Regierung und Opposition zu ersten Gesprächen.

Die begrenzte Teilnahme am Treffen in Moskau erschien auf den ersten Blick enttäuschend. Das "Nationale Koordinationskomitee" nahm nur mit Vertretern der zweiten Reihe teil, "Den Staat aufbauen" war offiziell nicht vertreten – wegen der Verhaftung seines Vorsitzenden Louay Hussein. Und die Teilnahme von Quadri Jamil war nicht unerwartet: War er doch zuvor sogar Regierungsmitglied gewesen.

Bevor die Vertreter der Opposition in Moskau mit Vertretern der Regierung sprachen, fand eine Konferenz in Kairo statt. Hier gab es eine Abschlusserklärung, die in mehreren Punkten die Schaffung eines demokratischen Syriens verlangte (Punkt 1, 2, 7), die Freilassung aller politischen Häftlinge (Punkt 5) und die Einheit der Opposition. Und in Punkt 3 heißt es: Internationale und regionale Unterstützung für eine politische Lösung im Rahmen des Genfer Abkommens.

Das ist im Besten Fall eine Illusion – arbeiten doch gerade die internationalen und regionalen Kräfte nur an der Umsetzung ihrer jeweils eigenen Interessen.

Ähnliches gilt für den Kampf gegen terroristische Organisationen: So fordert man im Punkt 5 der Erklärung die Einstellung der Gewalt und der Luftangriffe... und im Punkt 9 die Bekämpfung von Terrororganisationen in Syrien.

Diese Erklärung der syrischen Oppositionskräfte versucht die Quadratur des Kreises: Man will nicht den Kampf der syrischen Armee und Regierung gegen Terrororganisationen unterstützen, denn das würde das eigenen Selbstverständnis der letzten vier Jahre in Frage stellen und fordert die Einstellung der Gewalt. Man kann sich aber auch nicht der Realität verschließen – und fordert deshalb die Bekämpfung von Terrororganisationen.

Auch die Konferenz in Moskau formulierte eine Abschlusserklärung, die überwiegend vage blieb und wenig Begeisterung hervorrief.

Dennoch zeigt die anstehende zweite Konferenz in Moskau eine unerwartete Anziehungskraft. Abd al-Lathim, der Vorsitzende des Nationalen Koordinationskomitees will persönlich an der Konferenz teilnehmen. "Den Staat aufbauen" wollte teilnehmen, wenn der Vorsitzende Louay Hussein als ihr Vertreter in Moskau auftreten könnte. Dies wurde ihm nicht ermöglicht und so ist es nur folgerichtig, wenn diese gruppierung nicht an den Gesprächen teilnimmt. Für andere Gruppen und Parteien ist die Frage nicht, ob sie teilnehmen wollen, sondern ob sie eingeladen werden, ob als Partei oder nur als Personen– und mit wie vielen Personen

Es scheint mittlerweile auch - nennen wir es Umgruppierungen – innerhalb der syrischen Opposition zu geben. Aus unterschiedlichen Gründen haben Personen das Nationale Koordinationskomitee verlassen, neue Gruppierungen wurden gegründet.

Versöhnungsinitiativen

Verhandlungen zwischen Regierung und syrischer Opposition würden nicht die Probleme des Landes lösen. Terrororganisationen würden ihren Krieg nicht aufgeben, nur weil Regierung und Organisation sich womöglich verständigen würden. Aber ein Verhandlungsergebnis würde den syrischen Staat und die syrische Gesellschaft stärken.

Ein zentrales Problem Syriens ist nach wie vor das Schicksal der Verschwundenen, Verhafteten, Entführten. Hier zu einer Lösung zu kommen ist ein wichtiger Teil der Versöhnungsinitiativen in Syrien.

Weitere Beiträge zum Thema:
Verhaftung von Louay hussein
Verhandlungen in Genf
zur syrischen Opposition



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