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Das große Feilschen, 15.04.2016

UN-Gebäude, Genf Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Türkei, Golfstaaten und NATO – alle auf ihre eigene Art – Krieg gegen Syrien führen. Wenn man so will, einen Stellvertreterkrieg um regionale (und globale) Interessen.

So sitzen beim syrisch-syrischen Dialog Vertreter des Auslands mit am Tisch, wenn in Genf wieder verhandelt wird, sei es real oder virtuell: Saudi-Arabien wird vertreten durch die "Riad-Opposition". Die USA, die nach dem militärischen Eingreifen Russlands von ihrer Maximalforderung abgehen mussten beraten die Riad-Opposition. Und Deutschland gibt der "Syrischen Opposition" in Genf rechtliche Hilfestellung und übernimmt die Kosten für das Sekretariat der Delegation.

Die Türkei aber sitzt virtuell am Verhandlungstisch, indem sie die Teilnahme kurdischer Gruppen unterbindet. Und manche kurdischen Gruppen mögen es sogar als Vorteil sehen, dass sie in Genf nicht gefragt sind. So können sie unbehelligt ihre eigenen Vorstellungen verfolgen.

Als die russische Luftwaffe in Syrien eingriff, mussten die USA feststellen, dass ihr Projekt, Assad militärisch zu stürzen, gescheitert ist. So wenig, wie die US-Regierung "einen Plan für die Zeit nach dem Sturz Gaddafis" hatte, so wenig hatten sie damit gerechnet, dass Syrien bestehen könnte.

Angesichts der Ruinen syrischer Städte und Infrastruktur wird sich heute niemand mehr der Illusion hingeben, in Genf würde um Demokratie und Transparenz, um Menschenrechte und Freiheit für Syrien verhandelt. Die Liste der Teilnehmer im Hintergrund – ob Türkei, USA oder Saudi-Arabien - spricht eine klare Sprache. Ganz praktisch geht es neben der Frage der regionalen Machtverteilung - um Profite. Wer wird Öl- und Gas fördern, wer wird am Wiederaufbau der Infrastruktur verdienen?

Die syrische Regierung hat hierzu ihre eigenen Vorstellungen und will im Wesentlichen die Länder davon profitieren lassen, die Syrien im Krieg unterstützt haben: Russland, China und Iran. Aber Hochtief und andere global agierende Unternehmen stehen schon in den Startlöchern. Und so ist eine zentrale Dimension der Verhandlungen in Genf die Frage, wie nach dem Krieg die zu erwartenden Profite verteilt werden.

Was das Thema des syrisch-syrischen Dialogs betrifft, so sehen viele der syrischen Oppositionellen die Perspektiven erstaunlich positiv. Louay Hussein, der ehemalige Vorsitzende der Gruppe "Den Staat aufbauen" äußerte sich auf Facebook ebenso zuversichtlich wie die syrische Oppositionelle Kridi ("Moskauer Opposition"), die erklärte, die Krise nähere sich einer "logischen" Lösung.

Abd al-Lathim, der Generalsekretär des oppositionellen „Nationalen Koordinationskomitees“ dagegen erklärte in einem Interview mit der syrischen Zeitung al-Watan, es gebe nur eine Opposition (die Riad-Opposition). Oppositionsparteien in Syrien seien zugelassen und stünden dem Regime nahe. Eine Übergangsregierung im Rahmen der jetzigen Regierung sei nicht möglich.

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Die Gespräche in Genf sollten ursprünglich am 11.04. wiederaufgenommen werden, der Termin wurde auf den 13.04. verschoben und ist jetzt erneut verschoben. Das Feilschen um regionale Machtinteressen und künftige Profite geht weiter: Um die Verhandlungsposition der Riad-Opposition zu stärken gelangte Verstärkung für die Dschihadisten über die türkische Grenze. Und auch mit dem Gerede über einen "Plan B" soll die Riad-Opposition gestärkt werden. Der "Plan B" – der offiziell dementiert wird – sieht eine verstärkte Bewaffnung sogenannter "gemäßigter Rebellen" durch die USA vor. Gemäßigte Rebellen sind aber solche, die erst nach ihrer Bewaffnung durch die USA zu IS oder al-Nusra überlaufen.

Nicht nur der Waffenstillstand in Syrien ist fragil. Auch die Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA ist keineswegs definitiv. Der Sprecher des US-Außenministeriums macht das deutlich wenn er erklärt, die USA würden das Recht der Syrer achten, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden und im gleichen Atemzug erwähnt, der syrische Präsident habe (schon lange) seine Legitimität verloren.

Wir dürfen seine Worte wohl so interpretieren: Die USA werden den Prozess, in dem die Syrer selbst über ihre Zukunft entscheiden achten - wenn sie denn "richtig" entscheiden. Falls aber nicht - ist auch ein militärisches Eingreifen nicht ausgeschlossen.

Nachtrag, 18.04.2016: Die Dschihadisten in der Riad-Opposition scheinen sich vom Waffenstillstand endgültig verabschieden zu wollen. Es hatte sich schon zuvor mit der Verstärkung aus der Türkei angedeutet. Einigkeit über das Vorgehen besteht nicht einmal in der Riad-Opposition.



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