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Amerikanische Werte, 13.11.2019

Die Beziehungen zwischen Syrien und den USA waren über viele Jahre überwiegend von Sanktionen geprägt, "Regime-Change" war sozusagen ein laufender Posten im Budget des US-Außenministeriums, Wiki-Leaks hat dazu einiges berichtet. 2006 begann das US-Außenministerium seine Unterstützung von Barada-TV mit Millionen Dollar. Barada-TV wurde im Krieg bekannt durch seine Propaganda gegen die syrische Regierung.

Die US-Politik des Regime-Change blieb äußerlich folgenlos, bis im Jahr 2011 Syrien durch Proteste und bewaffnete Auseinandersetzungen in den Grundfesten erschüttert wurde. Die Zeit für einen Regime-Change à la USA war gekommen.

Der erste Anlauf erfolgte im Oktober 2011 und im Februar 2012 im Sicherheitsrat der UN: Resolutionen, die den Weg für eine Flugverbotszone wie in Libyen freimachen sollten. Als die Resolutionen am Veto Chinas und Russlands scheiterten, setzten die USA voll auf die Bewaffnung, Unterstützung, Finanzierung von Dschihadisten in ihrem Kampf gegen die syrische Regierung. Milliarden Dollar und Tausende Tonnen Waffen wurden dafür geliefert. Das Land wurde zerstört. Ein Nebeneffekt dieser zerstörerischen Politik war die Bildung des IS als Sammelbecken für viele der Dschihadisten, auch solche, die die USA als "gemäßigt" bezeichnet und ausgebildet hatten. Der IS eroberte große Teile des Irak und von Syrien.

Als der IS die drei „Kantone“ des kurdischen Rojava angriff, war unmittelbar das kurdische Leben in Syrien und das Leben eines jeden Einwohners bedroht. Die USA kamen zu Hilfe. Die mörderischen Kräfte, die sie selbst gefördert hatten, bedrohten nicht nur das Leben der Kurden, sondern auch die eigenen Pläne der USA für die Region. In dieser Situation bildete sich das Bündnis der USA mit den kurdischen YPG aus.

Für die USA war dieses Bündnis ein Erfolg. Ihre Pläne zum Regime-Change waren bis dahin ergebnislos geblieben. Jetzt fassten sie zum ersten Mal Fuß in Syrien.

Doch nicht nur Rojava war in seiner Existenz bedroht. Die Dschihadisten aus Syrien und allen Ländern der Welt bedrohten Christen und Alawiten, Sunniten, Kurden, jede ethnische und religiöse Gruppe, Frauen, Männer und Kinder, Staat und Gesellschaft Syriens. Die syrische Armee stand im Kampf gegen die Dschihadisten mit dem Rücken zur Wand – bis Russland zu Hilfe kam.

So waren also die USA den Kurden zu Hilfe gekommen und ließen dabei das Ziel des "Regime-Change" à la USA nie aus den Augen. Russland dagegen kam ganz Syrien zu Hilfe, um die Stabilität des Staates und der Region zu bewahren.

Der Konflikt zwischen diesen beiden Konzepten zeigte sich, als die syrische Armee Deir Ezzor vom IS befreien wollte (Einheiten der syrischen Armee hatten in Teilen von Deir Ezzor ausgehalten) um den Weg zur Grenze zum Irak zu öffnen. Die USA wollten das verhindern, denn die Grenzöffnung wäre einer Stärkung der syrischen Regierung gleichgekommen. Deshalb sollten die SDF um jeden Preis der syrischen Armee zuvorkommen. Dieser Preis war die völlige Zerstörung von Raqqa. Raqqa war damals die Hauptstadt des IS, der IS musste vertrieben werden, kein Zweifel. Die Frage war: wie lange würde es dauern. Und Zeit blieb in diesem Wettlauf keine, die US-Armee gab die Prioritäten vor. Deshalb wurde Raqqa in Grund und Boden gebombt, deshalb wurde die Artillerie rücksichtslos eingesetzt und die SDF Richtung Osten vorangetrieben.

Dennoch es war die syrische Armee, die Deir Ezzor befreite und die Grenze zum Irak erreichte. Das Gebiet östlich des Euphrat aber blieb unter Kontrolle der USA und ihrer Verbündeten, den SDF. Die angelsächsische Presse formuliert das pragmatisch und einfach: "Die Kurden kontrollieren mehr als ein Viertel der Fläche Syriens." Mit US-Unterstützung natürlich, woraus Politiker und Medien in den USA niemals ein Hehl machten.

Dieses Gebiet wurde im Krieg zerstört und ist von den unterschiedlichsten Interessen geprägt. Arabische Stämme, Anhänger des IS, Kurden, Flüchtlinge, Unterstützer des syrischen Staates – es ist schwer, einen Interessenausgleich zu finden. Die Verwaltung der kurdisch dominierten Gebiete leidet an einem Mangel an ausgebildeten Verwaltungskräften. Und an politischer Transparenz. "Die Vereinigten Staaten können ihre Unterstützung als Mittel einsetzen, um in den kurdisch-kontrollierten Gebieten ein offeneres System zu erreichen", schrieb die Journalistin Aliza Marcus, die die Geschichte des kurdischen Kampfes für Unabhängigkeit kennt. Mit ihren Illusionen über die Rolle und Ziele der USA steht sie nicht alleine.

Zu Beginn des Krieges sah man statt der komplexen Realität des Landes die zwei Marken "friedliche Demonstranten" und den "Brutalen Diktator". Und so ist es jetzt wieder. "Rojava" wird losgelöst von der Realität und zu einer Marke.

Doch jenseits der romantischen Verklärung, die den Diskurs über "Rojava" beherrscht, unterscheiden sich die Gebiete östlich des Euphrat in den Kriegsfolgen, der Zerstörung, den Traumata, Konflikten und vielem anderen weniger von den Gebieten unter Kontrolle der Regierung als gemeinhin angenommen wird.

War das Bündnis von SDF und den USA strategisch, taktisch oder einfach pragmatisch? Und was wird aus "Rojava" nach dem "Verrat" durch Trump und dem teilweisen Rückzug der US-Truppen? Für die US-Eliten waren die Kurden die loyalsten und engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten. Der Vorwurf an Trump ist ja gerade, dass er mit seiner Entscheidung zum Rückzug dieses Bündnis unnötig aufgelöst hat. "Die Kurden gehören zu unseren engsten und loyalsten Verbündeten", heißt es immer wieder in den liberalen US-Medien. "Betet für unsere kurdischen Verbündeten", schrieb selbst Senator Lindsey Graham, eigentlich ein Parteigänger von Trump.

Und umgekehrt? War es für "die Kurden" ein taktisches Bündnis auf Zeit, in dem Widersprüche ausgenutzt wurden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen? Ilham Ahmed, Ko-Vorsitzende des Exekutivrates von Rojava gibt eine Antwort. Sie erklärte am 9. Oktober: "Trotz des Betrugs, den wir erlitten haben, glauben wir weiter an die amerikanischen Werte und unsere Freunde in der US-Armee…".

Im Hearing eines Komitees des Repräsentantenhauses am 23. Oktober 2019 sprach sie von "dunklen und gefährlichen Zeiten für mein Volk, das Volk in Nord- und Ostsyrien". Sie sprach von den tausenden Kämpfern der SDF die in der Schlacht gegen den IS fielen; eine Schlacht, "die in einem Sieg endete, den früher im Jahr Präsident Trump verkündete und der weltweit gefeiert wurde."

Der Traum von den "amerikanischen Werten", die enge Zusammenarbeit mit den USA besteht bis über das Ende des Bündnisses hinaus. Oder ist dieses Bündnis mit den USA noch gar nicht zu Ende?



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