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Jemen, 10.06.2016

Menschenrechte - das ist ein Thema, das schon lange politisiert ist. Menschenrechtsverletzungen in und durch Saudi-Arabien gelten im Allgemeinen als lässliche Sünden.

Seit März 2015 bombardierte das Bündnis Saudi-Arabiens und anderer arabischer Staaten Ziele im Jemen. Seit Beginn des Krieges wurden mehrere tausend Zivilisten – darunter tausend Kinder - durch Luftangriffe des Bündnisses getötet. Die Infrastruktur des Jemen wurde zerstört, mehr als 2 Millionen Menschen wurden als Binnenflüchtlinge vertrieben.

Vor einigen Tagen setzte die UN das Bündnis überraschend auf eine Schwarze „Liste der Schande“, in der Staaten und Organisationen aufgeführt werden, die Kinderrechten verletzen. Doch nur für kurze Zeit. Saudi-Arabien drohte damit, Gelder zu kürzen und erklärte, die aktuellen Friedensverhandlungen in Kuweit würden dadurch erschwert. Sogleich wurde das Bündnis wieder von der Liste gestrichen. Vorübergehend, bis die Vorwürfe geklärt sind, wie die UN erklärt. Für immer und endgültig – erklärt Saudi-Arabien.

Komplexe Struktur

Der Jemen ist von allen arabischen Staaten wahrscheinlich der mit der komplexesten Struktur und sah sich schon vor dem jetzigen Krieg mit all den Problemen konfrontiert, die viele der arabischen Staaten kennzeichnen. Und mit einigen mehr.

Vor allem in den ländlichen Gebieten lebte die Mehrzahl der Menschen in bitterer Armut. Das hohe Bevölkerungswachstum belastet die Infrastruktur und bringt eine außerordentlich junge Bevölkerung mit sich. Die nicht sehr ergiebige und überdies sinkende Förderung von Erdöl liegt voll in der Hand ausländischer Unternehmen, eine Erdgasverflüssigungsanlage produzierte vorwiegend für den Export in die USA. Arbeitsplätze gibt es vor allem in der Landwirtschaft, auch beim Anbau von Kath.

Stammesorganisationen haben ihre eigenen Loyalitäten und es so gibt viele Machtzentren im Land.

Der heutige Jemen entstand in Krieg und Bürgerkrieg. Im Norden kämpften arabische Nationalisten gegen die Monarchie schiitischer Stämme. Damals unterstützten Saudi-Arabien und Großbritannien diese Stämme, die heute die "Huthi-Rebellen" bilden gegen den "Arabische Nationalismus".

Im Südjemen kämpfte die Nationale Befreiungsfront gemeinsam mit anderen Gruppen gegen die Kolonialmacht Großbritannien bis 1967 der letzte Britische Hochkommissar den Jemen verließ. Am 22. Mai 1990 schlossen sich die Arabische Republik Jemen(Nordjemen) und die Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen) zur Republik Jemen. Ali Abdullah Salih hatte schon seit 1978 die Arabische Republik Jemen regiert und wurde nun Präsident des vereinten Jemen.

Unter Präsident Abdullah Salih war der Jemen ein bedeutender Verbündeter der USA "Krieg gegen den Terror", das Land war ein Zentrum der Drohnenangriffe. Die US-Militärhilfe wurde zwischen 2006 und 2009 von elf Millionen auf über 70 Millionen Dollar aufgestockt, Waffen und Nachtsichtgeräte wurden geliefert. Dies galt allerdings nicht dem Kampf gegen al-Quaida, sondern dem Kampf gegen die "Huthi-Rebellen" oder "Ansar Allah". "Ansar Allah" ist eine bewaffnete politisch-religiöse Bewegung, die von Hussein al-Huthi (1959 – 2004) gegründet wurde. Ihr Motto: "Gott ist groß! Tod den USA! Tod Israel! Fluch über die Juden! Sieg dem Islam"

Arabischer Frühling

Drei große Parteien prägten das Land: der "Allgemeine Volkskongress", der seine Basis in Nordjemen hatte und dort Einheits- und Regierungspartei gewesen war. Er war die Partei des jemenitischen Präsidenten Salih. Es gab die "Jemenitische Sozialistische Partei", die ehemalige Einheitspartei in der Demokratischen Volksrepublik Jemen. Und es gab "al-Islah", eine Partei der Moslembrüder, Salafisten und von Stammesorganisationen.

Die Präsidentschaftswahlen von 2006 waren von echter Konkurrenz geprägt. Abdullah Salih hat sie mit großer Mehrheit gewonnen. Doch 2011 erreichte die Woge der allgemeinen Empörung Sanaa. Hunderttausende forderten den Rücktritt des Präsidenten Salih. Al-Islah - die Partei der Moslembrüder – wurde zur bestimmenden Kraft.

Die Proteste wurden von Stammesorganisationen unterstützt, auch von Anhängern der Huthi. Zugleich genoss Salih trotz der Proteste immer noch große Unterstützung.

Truppen des Golf-Kooperationsrates, d.h. im Wesentlichen Saudi-Arabien, hatten damals Bahrain besetzt, um einen Sturz der Regierung durch Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit zu verhindern. Im Jemen beschränkten sich die Aktivitäten des Golf-Kooperationsrates vorerst auf politischen Druck und monatelange Verhandlungen. Islamisten im Jemen und die USA begrüßten das Ergebnis Saudi-Arabiens: Vizepräsident Hadi wurde als neuer Präsident eingesetzt und auch in Wahlen bestätigt, in denen er einziger Kandidat war.

Krieg

Die neue Regierung änderte nichts an Armut und Korruption. Arbeitslosigkeit und Inflation nahmen zu und lagen beide bei ca. 30%. Die Ölförderung sank. Stammesorganisationen hatten ihre eigenen Loyalitäten und nach wie vor verfügte der gestürzte Präsident Salih über organisierte Unterstützung in Sicherheitskräften, im Militär und in seiner Partei. Al-Quaida und IS gewannen zunehmend an Einfluss.

Die Ansar Allah, die schon lange gegen den Staat kämpfte, ging in die Offensive. Nicht nur gegen die Truppen des geflohenen Präsidenten Hadi, sondern auch gegen IS und al-Quaida. Dabei wurde sie von Teilen des Militärs und Anhängern des früheren Präsidenten unterstützt und verfügte über einen beträchtlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Im September 2014 nahmen sie die Hauptstadt Sanaa ein. Parlament und die bisherige Regierung waren damit faktisch aufgelöst.

Als auch die Einnahme der Hafenstadt Aden drohten, griff Saudi-Arabien militärisch ein und begann am 26. März 2015 mit den Verbündeten die Luftangriffe gegen den Jemen. Die letzten Truppen der USA, die noch im Jemen stationiert waren, verließen aus Sicherheitsgründen das Land.

Die Aktivistin und Friedensnobelpreisträgerin von 2011, Tawakkol Karman, unterstützte im Namen der Partei der Moslembrüder die Militärintervention. Dieses schwächte "al-Islah" mehr als die militärische Entwicklung.

Die "Internationale Gemeinschaft" bzw. ihr westlicher Teil unterstützte die Koalition aus 8 arabischen Staaten. Sie leistete diplomatische und logistische Unterstützung und lieferte Informationen und Waffen für den Krieg.

Dennoch hatte das Bündnis militärisch keinen wirklichen Erfolg.

Nach wie vor kontrolliert Ansar Allah weite Teile des Landes und der vertriebene Präsident Hadi ist weit davon entfernt, den Jemen zu kontrollieren.

Die schiitischen Stämme kämpften in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts als Partei einer Monarchie und unterstützt von Saudi-Arabien und Großbritanniengegen den panarabischen Nationalismus. Die Huthi-Anhänger von heute sind anti-westlich, wenden sich gegen sunnitischen Extremismus und bekämpfen al-Quaida und IS. Und seit 2011 werden die "Huthi-Rebellen" als politische Kraft im Kampf gegen Korruption wahrgenommen.

Saudi-Arabien versucht mit diesem Krieg, seine regionale Vormachtstellung auszuweiten. Es ist aber nicht nur ein Stellvertreterkrieg gegen Iran: Schiitische Stämme leben auch in Saudi-Arabien – gerade in den Ölreichen Gebieten. Sie könnten die Stabilität des Landes und die königliche Macht bedrohen.

Für Saudi-Arabien selbst ist der Krieg zu einer finanziellen Last geworden. Sinkende Ölpreise und verringerte Einnahmen hinterließen ihre Spuren.

Laut dem UNO-Sonderbeauftragten für Jemen, Ismail Scheich Ahmed, werden die aktuellen Friedensgespräche zwischen den jemenitischen Konfliktparteien im Juni fortgesetzt.



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