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Eine gute Wahl, 05.06.2014

Wähler in SyrienEine Wahl, in der mehrere Kandidaten angetreten waren. Kandidaten, die ihre Programme und ihre Kritik in Fernsehen und Zeitungen vorstellen konnten und in der auch diejenigen, die die Wahl überhaupt ablehnten, ihre Position in den Medien breit darstellen konnten. Medien aus dem In- und Ausland, internationale Wahlbeobachter und vor allen Dingen: ein nicht endender Ansturm von Wählern auf die Wahllokale von Beirut und Amman bis Aleppo. Um diesen Ansturm zu verbergen, musste der Westen den syrischen Wählern im Ausland die Teilnahme an den Wahlen in den syrischen Botschaften verbieten. So zum Bespiel in Frankreich und Deutschland.

Die Wahlen in Syrien waren demokratischer und transparenter als die Wahlen in Afghanistan und Ägypten. Und niemand konnte auch nur den Hauch eines Zweifels daran haben: Der Westen würde niemals diese Wahlen anerkennen.

Denn schon am ersten Tag der Wahl, als die Syrer im Ausland wählten– d.h. soweit sie dort wählen durften - war klar: Die große Mehrheit der Syrer, ob im In- oder Ausland, ob "für" oder "gegen" Assad wollte diese Wahl. Sie wollten für ihren Staat stimmen – gegen die Kriegstreiber der NATO und gegen die Monarchen in den Golfstaaten.

Der Westen bezeichnet Wahlen, die seinen Interessen widersprechen, immer als undemokratisch. Ob in Gaza, Venezuela oder auf der Krim.

Wahlen, die die 'richtigen' Ergebnisse zeitigen, gelten dagegen als legitim und demokratisch. Und wenn sie gar in einem Land stattfinden, in dem ein Bürgerkrieg tobt, wird zusätzlich noch der Mut der Wähler gewürdigt, die unter Lebensgefahr zur Wahl gehen.

Nur wegen der 'falschen' Ergebnisse nennen sie die Wahlen in Syrien eine Farce. Und die New York Times schreibt heute: Wahlurne – das ist ja gut und schön. Aber zur wirklichen Demokratie gehören noch ganz andere Dinge. Ob sie damit weltweite Massenüberwachung, weltweit agierende Medienkonzerne, die die Botschaft der Eliten verkünden, Drohnen und Austeritätspolitik meint?

Prüfsteine

In den Wochen vor der Wahl hatte ich eine Reihe von Kriterien formuliert, um zu beurteilen, wie die Wahlen einzuschätzen wären.

- Würde es überhaupt mehr als einen Kandidaten geben?

Die Verfassung verlangt es, doch die Hürde für Kandidaten war hoch. Nicht nur musste der Kandidat die Stimmen von 35 Abgeordneten des Parlaments erhalten – die Abgeordneten dürfen jeweils auch nur die Kandidatur eines einzigen Kandidaten unterstützen.

- Würden es Kandidaten sein, die auch etwas zu sagen hätten – und würden sie es sagen können?

Könnten sie im Fernsehen und in den Medien auftreten, könnten sie Versammlungen abhalten?

- Würden die Wahlen und die Stimmauszählung einigermaßen nachvollziehbar sein?

Bewertet man die Wahlen anhand dieser Prüfsteine, ist das Ergebnis überzeugend.

Es gab über 20 Bewerber, von denen drei die nötige Zahl an Parlamentariern gewinnen konnten und als Kandidat zugelassen wurden. Von Hasan al-Nouri weiß man, warum er zur Wahl antrat (ein westlicher Journalist hatte ihn dazu herausgefordert) und dass er über seine Parlamentsarbeit 40 Unterstützer für seine Kandidatur gewinnen konnte.

Maher Hajjar ist 2007 mit seiner Kandidatur für das Parlament gescheitert und ging gegen vermutete Wahlfälschungen vor. Bei der Wahl 2012 wurde er als unabhängiger Kandidat in Aleppo ins Parlament gewählt – mit dem zweithöchsten Stimmenanteil eines Abgeordneten überhaupt.

Beide Kandidaten haben einen kurzen aber intensiven Wahlkampf geführt. In Interviews in Zeitung und Fernsehen haben sie unterschiedliche politische Konzepte dargestellt und eine kritische Sicht auf die Entwicklung in Syrien in den letzten Jahren. Und nicht zuletzt auf die Wirtschaftspolitik seit dem Amtsantritt von Bashar al-Assad.

Sie hatten keine große Organisation, auf die sie sich im Wahlkampf hätten stützen können, aber zumindest al-Nouri hat eine Unterstützergruppe um sich gesammelt.

Und vielleicht noch wichtiger: die syrische "Fundamental-Opposition", die die Wahlen unter den gegebenen Umständen ablehnte, hatte breiten Raum in den Medien, ihre Position darzustellen. Mindestens ein Vertreter der 'Nationalen Koordinationskomitees', der Gruppe 'Den Staat Aufbauen' und der Partei 'Volkswille' hatte die Möglichkeit, ihre Haltung zu Wahlen und Perspektiven in Syrien darzustellen.

Die Wahl lief überwiegend problemlos ab. Und selbst während der chaotischsten Szenen der Wahl, in der syrischen Botschaft in Beirut, gab es Raum und Gelegenheit, die Stimmzettel privat und abgeschirmt auszufüllen.

Zwei Fragen

Zwei Fragen der Opposition sollten nicht einfach ignoriert werden.

-Blieb nicht ein großer Teil der Syrer – in den Flüchtlingslagern im Ausland und in den Gebieten, die von den Bewaffneten besetzt sind – von der Wahl ausgeschlossen?

Viele der Bewohner sind ja gerade aus den besetzten Gebieten geflohen. Und soweit sie Zuflucht in Syrien gefunden hatten und nicht im Ausland - der größte Teil der Flüchtlinge ist in Syrien - konnten sie an der Wahl teilnehmen. Darüber hinaus hat die Regierung sich bemüht - soweit ihr das gestattet wurde - auch in Flüchtlingslagern im Ausland Wähler zu registrieren.

Insofern muss man ein großes Fragezeichen hinter die Behauptung der Opposition setzen, "die Hälfte" oder "fast die Hälfte" der Syrer hätte nicht zur Wahl gehen können. Nicht zuletzt die Zahl der Wähler zeigt: sehr viel mehr Wähler als behauptet konnten wählen, insgesamt waren es 11.634.412.(Bei der Abstimmung über die neue Verfassung 2012 waren es über 8 Millionen)

-Führt nicht die Wahl zu einer Zementierung der Situation und einer tieferen Spaltung zwischen denen, die "für" und denen, die "gegen" Assad sind?

Es könnte so sein und viele der aktivsten Anhänger von Assad mögen das ihre zu einer solchen Spaltung beitragen.

Die Regierung selbst weiß aber am besten, dass nur der Prozess der Versöhnung zu einer Lösung und einem stabilen Syrien führen wird.

Große Koalition

Es versteht sich von selbst, dass mindestens al-Nouri (bei Maher Hajjar ist das nicht so eindeutig), in eine Regierung der großen Koalition unter Assad eintreten könnte. Hierzulande allerdings sind die Medien noch nicht auf die Idee gekommen, eine Wahl zur Farce zu erklären, weil CDU und SPD sich nicht sonderlich unterscheiden.

Dennoch wäre besser und transparenter, die Fundamentalopposition wäre in den Wahlen aktiv geworden.

Stattdessen rufen sie zu einem Boykott auf oder dazu die Wahlen zu ignorieren oder sie gar nicht zu beachten – Dinge, deren Erfolg oder Misserfolg niemals nachzuprüfen ist.

Die Frage, ob das syrische politische System stark genug wäre, auch einen Kandidaten der Fundamentalopposition zu ertragen stellt sich nicht – leider. Nicht, weil die Regierung das nicht zulassen würde, das müsste sich erst noch zeigen.

Sondern weil die Opposition sich niemals auf einen Kandidaten einigen könnte. Und weil sie von vornherein und bis auf den heutigen Tag keine Perspektive von Verhandlungen mit der Regierung hatte.

Botschaft

Es gibt deutliche Anzeichen, dass Oppositionelle aus dem Ausland gewillt sind, nach Syrien zu politischer Arbeit zurückzukehren. Vor Wochen berichtete Karin Leukefeld in der jungen Welt darüber, dieser Tage bestätigte es die Beraterin des Präsidenten, Boutheina Shaaban.

Mit der neuen Amtszeit des Präsidenten wird es auch eine Regierungsneubildung geben und es wird interessant sein zu sehen, wie das neue Kabinett aussehen wird.

Millionen Syrer haben für Assad als Präsidenten gestimmt. Dies ist eine deutliche Botschaft an den Westen. Und zugleich ist es eine deutliche Botschaft an Assad. Sicherheit und Stabilität waren die eigentlichen Parolen, die die Wähler in Scharen an die Wahlurne gebracht haben. Die Wähler werden Ergebnisse sehen wollen bei Versöhnung und Versorgung, bei Reformen und dem Kampf gegen die Korruption.

Kein Weg zurück

Seit vor drei Jahren der syrische Präsident als Antwort auf den Tumult in Syrien den Reformprozess angekündigt hat gibt es kein zurück. Die Verfassung wurde geändert und zur Abstimmung gestellt (damals gab es mehr als 8 Millionen Wähler, von denen 800.000 ungültig oder mit nein stimmten), es wurden neue Wahl- und Parteiengesetze verabschiedet, die Medien haben sich massiv verändert.

Selbst in den dunkelsten Stunden, als im Sommer 2012 Aleppo aus den Dörfern angegriffen wurde , als ausländische Kämpfer und Waffen das Land überfluteten und das syrische Sicherheitskabinett in die Luft gesprengt wurde, als Moderatorinnen die Nachrichten im Fernsehen unter Tränen verlasen, gab es nicht den Ruf nach einer Rückkehr zum Kriegsrecht – sondern allenfalls der Ruf nach einer Fortsetzung des Reformprogramms.

Das ist die Stärke der syrischen Regierung und sichert seit drei Jahren ihren Bestand gegen alle Erwartung: sie weiß, dass nur eine Veränderung der syrischen Gesellschaft, mehr Transparenz, Versöhnung und das Zurückdrängen von Korruption und Seilschaften es möglich macht, dass die Syrer sie unterstützen. Assad ist nicht einfach das kleinere Übel, wie es heißt: Die Regierung bietet Syrien eine Perspektive.

Deshalb war es eine gute Wahl.



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