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Gegen die Wand, 20.06.2014

Schneller als die Blitzoffensive der ISIL war nur der Schwenk der Medien. Vom Wahlsieger (mit demokratischen Defiziten) wurde der irakische Premierminister al-Maliki innerhalb von Stunden zum Diktator im Wartestand erklärt, der mit seiner kompromisslosen Politik und seiner Ausgrenzung der sunnitischen Kräfte im Irak die Krise erst verursacht habe. Die Dschihadisten dagegen werden schon fast als Ordnungsfaktor bezeichnet. DieWashington Post beschreibt ein breites Spektrum von Aufständischen, von Dschihadisten bis hin zu Kräften der ehemaligen Staatspartei Saddam Husseins. Allen gemeinsam sei, dass sie die Sympathie der sunnitischen Bevölkerung gewonnen hätten, die von der sektiererischen Politik al-Malikis abgestoßen sei. (" Like the extremists, the former regime figures have won sympathy from ordinary Sunnis who are alienated by Mr. Maliki’s sectarian policies.").

Und die Süddeutsche Zeitung versteigt sich sogar zu der Schlagzeile "Terror und Verbraucherschutz" und schreibt über die Islamisten, sie würden zwar Menschen abschlachten, aber auch Autobahnen bauen.

"Wo die syrisch-irakische Islamistengruppe Isis herrscht, richtet und mordet sie ihre Feinde gnadenlos. Sie hat aber auch eine soziale Seite, impft Kinder, schüttet Schlaglöcher zu, installiert neue Stromleitungen und kümmert sich um die Qualität von Kebab …" Und die Flüchtlinge kehrten zurück, denn: "Das Leben in Mosul sei leichter geworden, sagen sie, man habe ja die irakischen Angriffe gefürchtet, nicht Isis. Die Militanten lieferten Strom und Wasser, und die Preise seien niedrig. Das ist die andere Seite."

Tatsächlich war der Angriff, in dem als erstes die Stadt Mosul erobert wurde, nicht der Beginn des Feldzugs. Seit Monaten tobte ein Kampf in der Provinz Anbar, in der die Stadt Falludschah schon zuvor in die Hände der Terroristen fiel. Nach UNO-Angaben sollen 400.000 Menschen vor den Kämpfen geflohen sein.

Und die Dschihadisten, die sich nach Ansicht der Süddeutschen für den Verbraucherschutz einsetzen, haben in einer beispiellosen Bombenkampagne in den letzten 18 Monaten unzählige Menschen umgebracht. In jedem Monat wurden in Anschlägen bis zu 1000 Menschen getötet –und teilweise sogar weit mehr.

Diener zweier Herren

Al-Maliki hatte lange versucht, der Diener zweier Herren zu sein. Ohne den Einfluss der USA ging nichts. Nicht umsonst ist die Botschaft der USA im Irak mit 5000 Mitarbeitern die größte aller US-Botschaften. Und gegen die Schiitische Macht Iran konnte wegen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit und der schiitischen Parteien, Organisationen und Milizen im Irak auch nichts gehen. Diese Balance wurde vom Angriff der ISIS gründlich ins Wanken gebracht. Die irakische Regierung wird sich für eine Seite entscheiden müssen.

Neuausrichtung

Die Dschihadisten und ihre Unterstützer, die den Irak angreifen haben, ein Ziel: Den Einfluss des Iran zurück zu drängen ("Beide Seiten sind entschlossen, die sunnitische Herrschaft über den Irak wieder herzustellen und das Land dem verderblichen Einfluss des Iran zu entreißen" schreibt die New York Times über die Zusammenarbeit von Terroristen und alten Baath-Kadern) – und dieses Ziel kommt den USA, Katar und Saudi-Arabien sehr gelegen: Es ist ihr eigenes Ziel.

Deshalb hat es die US-Regierung nicht eilig im "Kampf gegen den Terror". Nachdem sie jahrelang mit dazu beigetragen hatte, die Terroristen der ISIS in Syrien aufzubauen, wird sie nicht jetzt ihre eigenen Hilfstruppen bekämpfen. Tatsächlich benutzt sie ISIS als Druckmittel: Sie wird die irakischen Regierung nur in dem Maße unterstützen, wie sie sich vom Iran abwendet.

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Wir hatten an dieser Stelle schon des Öfteren auf einen Artikel hingewiesen, in dem Seymour Hersh schon vor 7 Jahren über eine "Neuausrichtung" der Außenpolitik der Vereinigten Staaten geschrieben hatte. In dieser Neuausrichtung sollten in Zusammenarbeit mit der Regierung von Saudi-Arabien islamistische Gruppen gestärkt und geheime Operationen durchgeführt werden, um den Iran zu schwächen. Die Islamisten jeglicher Couleur wurden als das "kleinere Übel" gesehen im Vergleich zu einem gestärkten Iran. Die Regierungen der Golfstaaten versprachen, sie könnten die Dschihadisten kontrollieren.

Was sich in Syrien und im Irak abspielt, ist schon seit Jahren ein offener Krieg um die Vorherrschaft in der Region und folgt dem Szenario, das Seymour Hersh beschrieben hat. Saudi-Arabien Katar und die USA wollen um jeden Preis den Einfluss des Iran zurückdrängen.

Saudi-Arabien hat dafür u.a. handfeste wirtschaftliche Gründe: Die schiitische Minderheit Saudi-Arabiens lebt ausgerechnet in den erdölreichen Gebieten und ist eine potentielle Gefahr für die Golf-Monarchie. Und für die USA erklärte Condoleezza Rice zu ihrer Zeit als Außenministerin bei einer Senatsanhörung, dass es eine neue strategische Ausrichtung im Nahen Osten gebe. Es gebe Reformer und Extremisten. Die sunnitischen Staaten wie Saudi-Arabien seien die Reformer, Iran, Syrien und Hisbollah dagegen die Extremisten. "Reformer" sind natürlich diejenigen, die das Primat der westlichen Interessen anerkennen – so reaktionär auch ihre eigene Politik ist. Extremisten sind die anderen.

Man wird "Irans Oberstem Führer Ali Chamenei" nicht widersprechen können, wenn er sagt, es gehe Washington nur darum, den Irak unter seiner Kontrolle zu behalten und Vasallen in Bagdad an die Macht zu bringen. Der Konflikt verlaufe nicht zwischen den Konfessionsgemeinschaften, sondern zwischen denen, die den Irak im US-Lager halten wollten, und jenen, die für Iraks Unabhängigkeit stritten, sagte Chamenei weiter.

Ob aber der Irak in der Folge dieses Konflikts wirklich zerstört und aufgeteilt wird, oder ob nicht vielleicht eine schiitische Regierung installiert wird, die sich noch mehr auf den Iran stützt ist noch nicht ausgemacht.



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